Potsdam(Brandenburg) will neue Wege gehen.
29. Dezember 2008, Maurice Kusber
Stadt will Graffiti als Kunstform fördern
Zweitägige Veranstaltung in der einstigen Skaterhalle ohne Zwischenfälle aber mit viel Farbe an den Wänden / Seemann: Bis März soll Konzept mit legalen Graffiti-Wänden im Stadtbild stehen (28.12. 2008)
Innenstadt – Die Stadtverwaltung will Graffiti als eigenständige Kunstform aktiv fördern. Das sagte die Fachbereichsleiterin Kultur und Museum, Birgit-Katharine Seemann am Rande der zweitägigen Kunstaktion in der vor dem Abriss stehenden Skaterhalle am Wochenende. Mehr als 300 vornehmlich Jugendliche kamen an beiden Tagen, um zu sprayen, Musik zu machen und zu hören oder Solidarität zu zeigen.
„Wir wollen deutlich machen, dass Hip Hop als Kultur und Kunst auch Platz braucht in Potsdam. Dazu gehört, dass wir für legale Graffiti-Wände kämpfen“, sagte Benjamin Bauer, Veranstalter der zweitägigen Aktion. Die Forderung scheint mittlerweile nicht mehr auf taube Ohren in der Stadtverwaltung zu stoßen. Seemann bestätigte, dass bis März ein Graffiti-Konzept für Potsdam stehen soll, in dem legale Wände zum Sprayen aufgelistet werden. Dazu hat Bauer bereits eine Liste vorbereitet, auf der 16 geeignete Flächen aufgeführt sind. „Zuallererst müssen die natürlich sichtbar sein und nicht versteckt“, so Bauer. Kunst müsse schließlich gesehen werden. Außerdem benötige man mindestens zehn Quadratmeter Größe um ein anständiges Bild entwerfen zu können. Geeignete Wände befänden sich laut Bauer am alten Betonwerk in der Nähe des Bahnhofs Rehbrücke, bei den ehemaligen Kasernen an der Nedlitzer Straße oder an der Schallmauer im Kirchsteigfeld.
Birgit-Katharine Seemann sagte, in den nächsten Wochen wolle man mit Eigentümern und Anwohnern der benannten Wände in Gespräche treten. „Da braucht es Toleranz und Respekt auf beiden Seiten“, betonte die Fachbereichsleiterin, die vor allem darauf einwirken will, „dass endlich mehr über Inhalte als über Konflikte geredet wird“. Graffitis müssten als Kunstwerke endlich Anerkennung finden, „im Sommer haben wir an der Schiffbauergasse eine Spray-Aktion veranstaltet, da sind wunderbare Sachen entstanden“, sagte Seemann.
Sie verwies auf die österreichische Hauptstadt Wien, die ein „absolut gelungenes Beispiel im Umgang mit Graffitis geschaffen hat“. Die durchaus konfliktträchtige Situation zwischen historischen Bauten und Jugendkultur sei vergleichbar mit der von Potsdam. Die Wiener böten im Internet einen Wegweiser mit allen legalen Spray-Flächen an, gleichzeitig sind die Wände im Stadtbild mit einem Piktogramm gekennzeichnet. „Dazu gibt es Regeln, zum Beispiel, dass leere Spraydosen natürlich entsorgt werden müssen.“ Das Wiener Konzept funktioniere, wie sie erfahren hat. Ähnliches wünscht sich die Kultur-Fachbereichsleiterin auch für Potsdam.
Veranstalter Benjamin Bauer begrüßte die gegenseitige Annäherung, machte aber auch deutlich, dass andere Konflikte noch nicht geklärt seien. So stehe die Anzeige der Stadt wegen der im November unerlaubten Nutzung der damals schon geschlossenen Skaterhalle für eine Party immer noch. Die Staatsanwaltschaft erklärte, derzeit noch zu ermitteln. „Warum ist die eine Party, die ebenso gut organisiert und friedlich war, eine Straftat, die andere, die wir jetzt am Wochenende feiern aber nicht? Warum kommt bei der einen eine Hundertschaft, während bei der anderen zwei Polizisten ausreichen, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung ist?“ Bauer forderte, dass der „unsachgemäße“ Polizeieinsatz aufgeklärt werde. Des weiteren ist die Situation der in Potsdam durchaus beachtlichen und aktiven Skaterszene unbefriedigend – erst recht nach der Schließung der Skaterhalle. „Wir haben nun kein Winterquartier.“ Das Wetter ermögliche nur bedingt Freiluft-Skaten. „Wenn überhaupt bleibt uns derzeit nur die Anlage im Garten des Lindenparks, aber auch die ist draußen und bei Kälte und Eis nicht nutzbar“, so Bauer. Deshalb wolle man für eine neue Skaterhalle kämpfen.
Die Graffiti-Bilder, die an den Wänden der alten Skaterhalle entstanden sind, sollen in einer Dokumentation den geplanten Abriss des Gebäudes überleben, kündigte indes die Kultur-Fachbereichsleiterin Birgit-Katharine Seemann an.
Kay Grimmer
Quelle:http://www.pnn.de/Pubs/potsdam/pageviewer.asp?TextID=16895