Szene zwischen Kunst und Kriminalität

Von Nicolas Gaspers | 31.10.2010, 17:41

Aachen. «Was ist der größere Vandalismus, der Beton oder die Farbe darauf?», fragt Lars Kessler, bekannter Sprayer der Aachener Graffiti-Szene, in die Runde. Genau diese Frage stellte man sich kürzlich im Atelierhaus Aachen.

Unter der Moderation von Nadya Bascha, der Geschäftsführerin des Künstlerzentrums, diskutierten Vertreter der Politik, Kulturschaffende und Besucher in einer offenen Podiumsdiskussion die Kontroversen der polarisierenden Kunstform aus.

Kilometerlange Außenflächen

Eingeleitet wurde die Diskussion durch einen Film und eine Präsentation. Hier bekamen die Besucher einen Eindruck, wie vielseitig Graffiti sein kann. Eine Menge Fotos zeigten verschiedenste Wandkunstwerke aus aller Welt. Unter anderem auch Bilder aus anderen deutschen Städten, wie etwa Bochum oder Gladbeck, in welchen es bereits kilometerlange Außenflächen für Sprayer gibt.

Solche Flächen soll es nun auch wieder in Aachen geben. Der entsprechende Antrag ist bereits gestellt. Die Initiatorin Maike Schlick, stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion im Rat, stand dazu Rede und Antwort. Denn es gibt nicht nur Befürworter.

Zu den Kritikern zählen jedoch nicht nur verärgerte Anwohner, die vielleicht noch ihre eigene Hauswand vor Augen haben, auf welcher ein «Tag» – so werden in der Szene die verschachtelten Namenszüge genannt – prangt. Selbst Freunde der Szene sehen die Legalisierung bestimmter öffentlicher Flächen kritisch.

«Ich weiß nicht, ob sich die Aachener Graffiti-Szene selbst einen Gefallen tut, wenn sie zulässt, dass sich Politiker oder Behörden einmischen», merkte ein Besucher an. Eine Kunstform, die als frei anerkannt werden wolle, müsse sich durch immer enger werdendere Vorgaben einschränken lassen. Das sei ein Widerspruch in sich.

«Aber durch freigegebene Flächen verringert man vielleicht die Art von Graffiti, die nicht als Kunst gewünscht wird, weil sie nicht ansprechend und gestaltend ist. Wenn sich solche Tags auf einen bestimmten Wandabschnitt begrenzen lassen, verschwinden vielleicht die Schmierereien im öffentlichen Stadtbild», hoffte eine Besucherin.

Lars Kessler warnte vor solchen Hoffnungen: «Es wird vermutlich immer zwei Gruppen in der Szene geben. Die, die es als Kunst ausleben und gestalten wollen, und die andern, die einfach nur provozieren wollen.»

Auch legale Flächen würden diese Sprayer nicht davon abbringen, illegal zu sprühen. «Denen geht es nicht um das gemalte Bild. Die wollen Nachts rausgehen, ihre Tags an einen Zug sprühen, und vor der Polizei wegrennen. Legale Flächen bieten kein Adrenalin», meinte Kessler.

Aber die vielen anderen, die unter diesen Gruppen selbst am meisten litten, könnten sich auf solchen Wänden künstlerisch ausdrücken. Speziell für sie sei es schade, dass es in einer Kulturstadt wie Aachen bisher keine Möglichkeit gebe, ihrer Passion nachzugehen. «Es geht vor allem darum, dieser Kunstform eine höhere Wertschätzung zuteil werden zu lassen», betonte Maike Schlick.

Link: http://www.az-web.de/lokales/aachen-detail-az/1448682?_link=&skip=&_g=Szene-zwischen–Kunst-und-Kriminalitaet.html

Seitenanfang

Sag was dazu!

Seitenanfang

Seitenanfang