Graffiti-Künstler fordern mehr Bürokratie

Graffiti-Künstler fordern mehr Bürokratie

Kulturausschuss: Flächen und Regeln für Sprayer

Von Frank Heindl

„Konzept zu Erweiterung und Reglementierung legaler Flächen für Graffitisprayer“ – so nennt sich das Papier, das der Pop-Beauftragte der Stadt, Richard Goerlich, am Montag im Kulturausschuss vortrug. Der Vorgang geht auf einen Antrag der Grünen Stadtratsfraktion zurück. Der Laie muss sich aber nicht nur darüber wundern, dass ausgerechnet die Grünen die „Reglementierung“ der einstmals so erfrischend aufmüpfigen Sprayer-Gemeinde fordern – am lautesten schallt der Ruf nach mehr Bürokratie und festen Rahmenbedingungen aus der Graffiti-Szene selbst.

Für Sprayer freigegebene Fläche an der Haunstetterstraße

„Narrenhände beschmieren Tisch und Wände“ – diesen Spruch mussten sich die Sprayer über Jahrzehnte hinweg von Polizei, Presse und genervten Bürgern anhören. Nun quengeln sie selbst: Die Könner in der Szene ärgern sich über wilde „Tags“ und wenig kunstvolle Schmierereien, die nicht nur öffentliche Wände verunzieren, sondern auch den anderen Künstlern jene Sympathien rauben, die sie sich bei der Öffentlichkeit gerne erwerben würden. Denn der sich belästigt fühlende Bürger unterscheidet nun mal nicht zwischen künstlerisch wertvoller Street Art und heimlich auf verbotene Flächen gesprühten kryptischen Zeichen und Botschaften, die im Vokabular normaler Kunstkonsumenten nicht vorkommen. Von einem „negativen Effekt auf das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung“ spricht die Wissenschaft – und dagegen kann man schlichtweg nichts machen, egal, ob dieses Gefühl nun Entsprechungen in der Realität findet oder einfach Humbug ist.

Die Bunten: Daniel Tröster in AktionDie Bunten: Daniel Tröster in Aktion

Die Lösung aus dem Referat für Popkultur: Mehr legale Sprayflächen, aber nur unter Auflagen, dadurch Eindämmung illegaler Graffiti sowie höhere Qualität der legalen. Ob diese Ziele erreicht werden, wird nicht nur anschließend diskutiert, sondern evaluiert, sprich: nach vorher festgelegten, stichhaltigen Kriterien objektiv untersucht – die Szene darf dabei mitreden. Sie muss ihre Kooperationsbereitschaft aber auch an harten Kriterien messen lassen: Das Papier aus dem Popreferat schlägt die Regelung der Abfallbeseitigung ebenso vor wie die Beseitigung von außerhalb der genehmigten Flächen angebrachten Grafitti – in diesen Fällen gilt natürlich weiterhin das Strafgesetz. An Übungsflächen für Anfänger ist ebenso gedacht (es werden „Bereiche ausgewiesen, die Übungsmöglichkeiten für Anfänger bieten“) wie an die Verkehrssicherheit der Umgebung durch von Schmierereien befreite Verkehrsschilder. Und damit alles den richtigen bürokratische Touch kriegt, versucht man sich auch schon am erforderlichen geschraubten Umgangston: „Die Einhaltung der Regeln und Gesetze wird vollumfänglich angestrebt.“

"Legale Graffiti - ein Widerspruch in sich": Richard Goerlich„Legale Graffiti – ein Widerspruch in sich“: Richard Goerlich

Das Ganze mag ein wenig zum Spott reizen – im Gespräch mit der DAZ vermag Richard Goerlich allerdings sehr wohl, seine Reaktion auf den grünen Antrag sachlich zu begründen. „Legale Graffiti“, das sei auch in seinen Augen „eigentlich ein Widerspruch in sich“, gibt der Popbeauftragte unumwunden zu. Doch das ist Schnee von gestern: „Ich hätte das doch nicht gemacht, wenn der Wunsch nicht aus der Szene gekommen wäre“, beteuert Goerlich. Der „alte Punk-Ethos“ sei längst nicht mehr gefragt – heute gehe es um Techniken, um Kunstwerke, Ziel sei es, schöne, qualitativ hochstehende Werke zu schaffen. Und schließlich stehe man mit der Einbindung der Grafitti-Szene in die städtische Kultur bei weitem nicht alleine. Vorbild nicht nur für Augsburg ist die „Wienerwand“: Auch in der österreichischen Hauptstadt erlaubt man Graffiti-Aktivitäten unter im Konsens erstellten Auflagen, die größtenteils von der Szene auch akzeptiert werden.

Richard Goerlichs Augsburger Popbüro findet man im Netz unter www.pop.augsburg.de, die Augsburger Sprayer-Szene („Die Bunten“) bietet hier unter anderem Workshops an, über die „Wienerwand“ kann man sich hier informieren.

Link: http://www.daz-augsburg.de/?p=11935

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